Die meisten Menschen glauben, dass Angst etwas Schlechtes ist. Einen Großteil meines Lebens dachte ich das selbst. Doch mittlerweile ist mir klar, dass die Natur keine Fehler macht. Die Schöpfung hat uns Angstgefühle aus einem bestimmten Grund mit auf den Weg gegeben. Denn sie sind grundsätzlich eine ganz normale körperliche Reaktion auf Situationen, die wir als bedrohlich interpretieren. Daraus entsteht auch eine große Chance. Wenn wir die Möglichkeit haben, selbst zu deuten, können wir uns ebenso für oder gegen die Angst entscheiden.

„Während der eine vor Angst zittert, so spürt ein anderer in der gleichen Situation den puren Genuss.”

Robert D. Hülsmeyer

Denn ist es nicht so, dass es Situationen gibt, die für den einen Menschen bedrohlich wirken und bei dem anderen im selben Moment Freude auslösen? Stellen Sie sich mal jemanden vor, der unter panischer Höhenangst leidet, so wie ich damals. Er steht auf 200 Meter Höhe an einem Geländer und schaut hinunter. Vermutlich wird dieser Person schwindlig werden, sie bekommt Beklemmungen, Atemnot, fängt an zu schwitzen und will einfach nur weg. Im gleichen Moment steht jemand dort oben, der die Höhe liebt. Diese Person produziert Glücksgefühle, schaut in die Ferne und ist sich absolut sicher, dass nichts passieren wird. Sie denkt nicht einmal darüber nach, dass überhaupt etwas geschehen könnte. Es ist ein purer Genuss. In solchen Momenten ist die Grundlage der Angst eine
reine Interpretation. Es ist ein erlerntes Verhalten, bewusst oder unbewusst. Oftmals steckt es tief im Unterbewusstsein. Was viele Menschen nicht wissen ist, dass man jedes erlernte Verhalten auch wieder auflösen und gegen eine förderlichere Gewohnheit austauschen kann.

Es gibt unzählige Situationen, in denen Angst ohne scheinbar konkreten Anlass auftritt. Als ich damals beispielsweise einkaufen gegangen bin und viele Menschen gleichzeitig unterwegs waren, bekam ich beklemmende Gefühle, die sich zu Angstzuständen entwickelten. Zu diesem Zeitpunkt war mir nicht klar, woher sie kamen. Es gab scheinbar nichts Bedrohliches. Dennoch fühlte ich mich eingeschränkt. Vielleicht erkennen Sie sich wieder oder kennen jemanden, dem es so geht. Sie können sich sicher sein, wenn Angst ohne einen konkreten Anlass zu einem ständigen Begleiter wird, dann beeinträchtigt das unsere Frequenz. Das Vertrauen ins Leben sinkt und die Lebensqualität nimmt ab. Wenn der Fokus dauerhaft auf Bedrohung gerichtet ist, dann können Sie sich ausrechnen, welche Situationen automatisch im Leben auftreten. Noch mehr Angst und Panik. Ich machte mich damals auf die Reise, meine Angstzustände zu erforschen. Dabei stellte ich mir zuallererst die Frage: „Was ist Angst überhaupt?“ Wenn wir uns anschauen, woher der Begriff kommt, dann stoßen wir auf das lateinische Wort „angutus“. Es bedeutet Enge, Bedrängnis und Beengung. Und genau das ist es, was wir häufig erleben. Es wird eng, wir fühlen uns bedrängt und möchten aus dieser Enge wieder heraus.

Hülsmeyer, R. (2021). Ich besiege die Angst (1. Aufl.). Mellontikos.